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Der falsch programmierte Mensch

Karl Steinbuch entwirft in seinem Buch „Falsch programmiert?“ ein Menschenbild, das zutiefst in der Kybernetik verwurzelt ist. Der Mensch erscheint hier nicht als metaphysisches Wesen oder bloß als Träger kultureller Traditionen, sondern als informationsverarbeitendes, lernfähiges und rückgekoppeltes System.

Aus dieser Perspektive ist der Mensch in erster Linie ein Wesen, das Informationen aus seiner Umwelt aufnimmt, sie verarbeitet, Entscheidungen trifft und daraus Handlungsmuster entwickelt. Diese Prozesse sind nicht starr oder linear, sondern dynamisch, fehleranfällig und auf Rückmeldung angewiesen. Lernen geschieht – so die kybernetische Grundannahme – nur dort, wo Rückkopplung zugelassen wird: Wo Fehler erkannt, reflektiert und korrigiert werden können.

Steinbuch warnt eindringlich davor, dass diese Fähigkeit des Menschen zur Selbststeuerung gefährdet ist – insbesondere durch fehlerhafte Informationszufuhr, manipulative Medien, ideologische Bildungssysteme und die Abwesenheit echter Rückkopplung. In diesem Zusammenhang führt er den Begriff der „Hinterwelt“ ein, den er von Friedrich Nietzsche übernimmt. Gemeint ist damit eine intellektuelle Elite, die sich – so Steinbuch – in einem idealistisch-verklärten Weltbild eingerichtet hat, das weitgehend ohne Bezug zur technischen, naturwissenschaftlichen und kybernetischen Realität operiert. Diese „Hinterwelt“ prägt aus seiner Sicht Bildungspolitik, Medienlandschaften und gesellschaftliche Diskurse in einer Weise, die den Menschen nicht zur Mündigkeit führt, sondern zur Abhängigkeit.

Für Steinbuch ist der Mensch kein zu dressierendes Wesen, aber auch kein bloß moralisches Subjekt. Er ist ein kybernetisch angelegtes Lebewesen, das in offenen, transparenten und strukturierten Informationsprozessen gedeiht. Seine Freiheit besteht nicht in Beliebigkeit, sondern in der Fähigkeit zur Selbstkorrektur und zum Lernen.

Damit ist das Menschenbild bei Steinbuch sowohl technisch als auch ethisch geprägt: Es verlangt nach einem Bildungssystem, das nicht indoktriniert, sondern befähigt. Nach einer Gesellschaft, die Rückkopplung nicht verhindert, sondern institutionell ermöglicht. Und nach einer Kultur, in der Verantwortung nicht auf Dogmen beruht, sondern auf der Einsicht in systemische Zusammenhänge.

In diesem Sinne ist Steinbuchs kybernetisches Menschenbild ein Plädoyer für einen aufgeklärten, selbstverantwortlichen Menschen – fähig zur Steuerung seines eigenen Denkens, aber nur dann, wenn die gesellschaftlichen Systeme, in denen er lebt, diese Steuerung nicht blockieren, sondern fördern.