Tagebucheintrag 06. April 2025
Heute war ich wegen eines Luftangriffs auf Kyjiw viel zu früh wach. Deshalb wollte ich mich mit ChatGPT über ein Zitat aus Goethes Faust unterhalten („Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist, leider! nie die Frage.“). Erst hat das Ding komplett falsch zitiert, so dass ich selbst nachschauen musste, wie das Zitat richtig heißt. Hintergrund war, dass ich einen Sammelband mit Aufsätzen von Rechtsphilosophen habe, die sich darin zu der Frage des Naturrechts äußern. Dazu sollte man wissen, dass die moderne Rechtsphilosophie (geprägt von Hans Kelsen und dem Sein-Sollen-Problem von David Hume) einem natürlichen Recht gegenüber kritisch steht. Allerdings sehe ich im Rechtspositivismus (nur das gesetzte Recht gilt), der zum Ende des 19. Jhd. entstand (geprägt von Auguste Comte’s Positivismus), was dann im 20. Jhd. folgte. Das führte zur Radbruchschen Formel, die es einem Richter unter gewissen Umständen erlaubt, auch positives (gesetztes) Recht nicht anzuwenden.
Da eine gute Freundin von mir kürzlich Mutter geworden ist, lag also das Thema nahe, sich zu fragen, ob das Kind durch die Geburt auch ein Recht mit auf die Welt brachte. Und tatsächlich lief die Überlegung daraufhinaus, dass da das Kind gewollt war, auch dadurch das Recht in sich trägt, zu sein. Die Mutter schützt mit ihrer Fürsorge dieses bedingungslose Recht. Weiter findet dann damit, dass qua der faktischen Existenz (ich bin) und den üblichen Voraussetzungen für dieses Sein („Ich denke, also bin ich“ oder „ich arbeite, also bin ich“ und andere Identifikationen über Verben) eine Umkehr stattfindet: „Ich bin, weil ich gewollt war.“ Aus diesem Willen leitet sich dann das Recht ab, sein zu dürfen („Ich bin, also darf ich sein“ – auch bei Goethe zu finden: „Hier bin ich Mensch, ich darf ich’s sein“), Das umfasst dann die Idee der unantastbaren Würde eines Menschen (Verfassungsprinzip vieler Staaten und Basis der Menschenrechte nach dem 2. WK).
Wir (die KI und ich) kamen dann zur Gerechtigkeitsauffassung von Kelsen, der sie in einem kleinen Büchchen grundsätzlich zerlegte und meinte, es gäbe keinen Maßstab für absolute Gerechtigkeit. Sein Fazit war, dass Demokratien noch am idealsten seien, Gerechtigkeit herzustellen. So ging es dann zu Bertrand Russel und seinem (berühmten?) Beispiel mit der Teekanne, bei der es darum geht, dass eine Unwiderlegbarkeit einer Behauptung kein Beweis für ihre Wahrheit ist. Wer etwas behauptet, trägt die Beweislast, nicht der Zweifler.
Nach einem kurzen Ausflug in die Zahlentheorie der Mathematik und wie dort Pi durch iterative Verfahren näherungsweise aber nicht absolut bestimmt werden kann, war die Idee, das auf die Wahrheits- und Gerechtigkeitsfrage zu übertragen.
Letztlich landeten wir bei Karl Steinbuch, ein Kybernetiker des 20. Jhd., und seinem berühmten Buch „Falsch programmiert“. Darin geht es um ein Menschenbild, das den Homo Sapiens als informationsverarbeitendes, lernfähiges und rückgekoppeltes (damit iteratives) System versteht.
Zuletzt war die Zusammenfassung, dass Demokratien ebenfalls „lernfähige und iterative Systeme“ darstellen, bei denen es um den Rahmen für eine „artgerechte Haltung des Menschen“ geht.
Abschließend ließ ich mir Bilder zu dem besprochenen im Stil von Bleistiftzeichnungen erstellen. Das Ergebnis ist als Art „Bilderbuch“ eines Gedankengangs zu sehen. Vielleicht erkennt der eine oder andere die abgebildete Person ))





